„Herbstzeit“

ein Theaterstück von Marion Schüller

Drei Frauen – drei Schicksale

Eine Großmutter, deren Tanzkariere durch den Krieg jäh beendet wurde. Sie leidet heute an der Alzheimer Krankheit.
Eine Tochter, deren Traum vom Ballett unerfüllt blieb. Sie pflegt jetzt ihre kranke Mutter.
Eine Enkelin, die als Tänzerin Karriere macht. Sie tritt als Person gar nicht in Erscheinung. Dennoch ist sie im Leben der Mutter und der Großmutter auf fatale Weite präsent.
Ein Stück über eine Krankheit, die in das Leben eingreift und es völlig umkrempelt. Nichts scheint mehr so, wie es vorher war. Ein Stück zum Nachdenken -erschreckend manchmal – anrührend – und dann wieder unendlich komisch – Gott sei Dank!

“ … Du solltest Oma sehen, wie sie sich verändert hat. Die Krankheit macht mir Angst. Letzte Nacht hab‘ ich was Komisches geträumt: Ich ging durch‘s Haus und stand plötzlich vor dem Spiegel… darin sah ich eine fremde Frau, die sah mich an.. eine Frau, die ich im Leben noch nie gesehen hatte. Ich war zu Tode erschrocken. Dann bin ich aufgewacht.
So muß es sein, dachte ich, wenn du Alzheimer hast…. “
Das Thema Alzheimer beschäftigt wegen der wachsenden Lebenserwartung immer mehr Menschen – Angehörige vor allem. Aber auch alle diejenigen, die selbst einmal in die Lage kommen könnten, einen solchen Angehörigen zu pflegen oder selbst zu erkranken – also im Grunde jeden von uns.
Die Krankheit erzeugt wie kaum eine andere , Angst, Verzweiflung und auch Wut, denn sie droht die Gesamtpersönlichkeit und Identität des betroffenen Menschen völlig zu zerstören.
Es gibt noch keine Heilung.
In unserem Stück haben wir uns mit einer Mutter-Tochter-Beziehung auseinandergesetzt.
Wir geben dem Zuschauer die Möglichkeit einen Einblick in die Gefühlswelt der Betroffenen zu bekommen.
Und gleichzeitig ist es ein Aufruf, das eigene Leben zu lieben und ernstzunehmen.
Als Kind stellte ich mir manchmal vor, wie es wäre, wenn man alles sofort wieder vergißt. Ich stand auf, um mir einen Apfel vom Tisch zu nehmen, ging zwei Schritte und dachte: Weiter würdest du nicht gehen, denn du hättest ja längst vergessen, daß du einen Apfel wolltest.

Ich müßte wohl überhaupt aufhören zu denken. Ich versuchte, mir das ganz genau vorzustellen. Ich versuchte ab sofort nichts mehr zu tun und auch nichts mehr zu denken. Es kamen mir alle möglichen Gedanken, doch ich versuchte sie gleich wieder zu vergessen. Ich tat nichts mehr und ich dachte nichts mehr und dann merkte ich, ich atme ja noch! Ich hatte vergessen das Atmen zu vergessen – und mir kam der Gedanke: Wenn man alles, aber auch alles vergessen hat, muß man wohl tot sein.

Wir wissen wenig vom Reichtum der Bilder um Empfindungen alter Menschen, deren Verstand uns scheinbar nichts mehr mitzuteilen hat. Wenn wir erfahren wollen, was sie bewegt, müssen wir Orte finden, an denen wir ihnen begegnen können, Orte, die zumeist sehr fern, in der Vergangenheit liegen. Vielleicht ist es auch nötig, selbst ein wenig den Verstand zu verlieren…..

aus: Betrachtungen über die Demenz
M.S.

Es spielen:
Susanne Kirchhoff
Heidrun Klein

Regie und Stück:
Marion Schüller

Gefördert durch das Kulturbüro Essen

Fachliche Betreuung durch das Seniorenreferat
der Essener Diakonie